Am Rande des FDP-Bundesparteitages in Nürnberg wurde ein Europa-Papier der Friedrich Naumann-Stiftung für die Freiheit unter dem Titel „Für ein Europa der Freiheit und der Bürger“ vorgestellt. Erarbeitet hatte dies eine Experten-Kommission unter Vorsitz vom Dr. Hermann Otto Solms MdB. Der Beschluss des Kuratoriums stammt vom 22.03.2013. Im sehr kleinen Kreis bestand für mich die einzigartige Chance, nicht nur den Herren Solms und Gerhardt zuzuhören, sondern ihnen auch Fragen zu stellen. Das hat mir natürlich sehr gefallen. Eine Gelegenheit, die sich bekanntermaßen nur selten ergibt. Ich gebe hier einige Teile des Textes wieder, weil ich glaube, dass diese die europapolitische Debatte werden beeinflussen können.
Das Papier leitet ein mit der Aussage „Der Prozess der europäischen Einigung gehört zu den größten politischen Leistungen des 20. Jahrhunderts“ und fasst prägnante Forderungen in sieben Punkten zusammen:
Forderung 1: Für ein Europa der Vielfalt: Integration als offener Prozess. Hierzu heißt es erläuternd: „Die europäische Integration ist ein hohes gut. Aber sie ist kein Selbstzweck. Wir dürfen den Prozess der europäischen Integration nicht als linearen Prozess auffassen. Die Integration muss vielmehr ein offener Prozess bleiben, der von den Mitgliedstaaten und deren Bürgern gewollt und getragen wird.“(Kurzfassung). Und weiter: „Die Frage, welche Gestalt Europa in Zukunft haben soll, sollte offen und ohne Vorfestlegungen erörtert werden. Wie und ob sich die Qualität dieses Staatenbundes wandeln wird, hängt entscheidend von uns Europäern selbst ab; es handelt sich um einen evolutionären Prozess, der kein historisches Vorbild hat. Die Festschreibung einer institutionellen oder geographischen Finalität der EU würde diesem EntwicklungsprozessChancen und Möglichkeiten abschneiden. Entscheidend sind Gemeinschaftstreue und Gestaltungskraft. Wichtig ist, dass wir uns als Europäer zu unseren Werten und Zielen bekennen, uns an die eigenen Regeln halten und uns aus einem gemeinsamen Verantwortungsgefühl heraus handeln“(Langfassung).
Forderung 2: Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten. Hierzu heißt es: „Wir brauchen … Eine nach Tiefe und Geschwindigkeit differenzierte Integration.“
Forderung 3: Europäische Handlungsfähigkeit gewährleisten.
Forderung 4: Subsidiarität durchsetzen, schleichende Zentralisierung verhindern.
Forderung 5: Institutionelle Kompetenzen klar zuordnen, Demokratie stärken.
Forderung 6: Finanzierung gerecht und zukunftsorientiert gestalten.
Forderung 7: Die Eurokrise nachhaltig mit marktwirtschaftlichen Mitteln bewältigen.
Als Ausblick heißt es in der Langfassung: „Den Bürgern Europas Freiheit, Friede und Wohlstand zu sichern bleibt daher gerade im 21. Jahrhundert die drei Zieleder Europäischen Union. Dies gelingt weder durch eine Renationalisierung, noch durch eine Übertragung desnationalstaatlichen Konzeptes auf die europäische Ebene. Vielmehr braucht es eine kontinuierliche Überprüfung des Spannungsverhältnisses zwischen Kompetenzübertragungund Subsidiaritätswahrung. … Europa kann stark und attraktiv bleiben, wenn es seinen liberalen Wurzeln treu bleibt, wenn es die Demokratie und das Recht auf allen Ebenen achtet, die Grund- und Menschenrechte schützt, eine den Regeln der Marktwirtschaft entsprechende Ordnungspolitik verfolgt, wenn es nach außen geschlossen auftritt und zugleich nach innen seine Vielfalt pflegt und nutzt.“
Ich persönlich fand es sehr schade, dass das Papier keine Stellung zur Finalität der europäischen Entwicklung nimmt (welche Strukturen, welche Länder und welche Ausstiegsszenarien könnte es geben). Ansonsten finde ich es lobenswert, dass sich die Friedrich Naumann-Stiftung zur Fortentwicklung Europas Gedanken gemacht hat, ein Thema, das auf der Tagesordnung steht.
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