Vor wenigen Tagen war ist zu Besuch in „der City“, wie man in Großbritannien sagt. Wieder einmal war ich beeindruckt von der Ruhe Londons, der Ausgeglichenheit und der Disziplin der Menschen in dieser Weltmetropole, trotz Verkehrsstaus und eines fast überforderten öffentlichen Transportsystems. Kein Autohupen, kein unfreundlicher Umgang, kein Schimpfen und selbst die Informationen über die Terroranschläge in Brüssel, lediglich auf der anderen Seite des Kanals, vermochten diese innere Ruhe nicht zu stören.
Ich bin beeindruckt von der Haltung der Briten, stoisch Ruhe zu bewahren, auch wenn mir als Deutschen in den zugigen U-Bahnschächten und den überfüllten U-Bahnen nach der soundsovielten Station immer weiterer Fahrgäste doch etwas Platzangst aufkommt. Hier scheinen die Probleme des „Kontinents“, wie man Europa gemeinhin bezeichnet, auf einem anderen Planeten zu liegen. Aktuell wird die Regierung nach dem Rücktritt eines engen Freundes des Premierministers von inneren Spannungen über die Positionierung zum Referendum am 23. Juni 2016 hin- und herumgeworfen. Noch scheint die öffentliche Meinung in den Umfragen knapp für einen Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union zu sein.
Mein ganz persönlicher Eindruck vor Ort ist ein anderer: Zu groß ist die Abneigung „gegen Brüssel“, zu groß die Enttäuschung, mit den Problemen des Euro, der Migrationsproblematik, Schengen usw. nicht zu einer vernünftigen Lösung kommen zu können. Brüssel muss da sicher für manches herhalten, was die jeweiligen britischen Regierungen mit unterstützt, nicht unterstützt oder zumindest nicht verbessert haben („Briten-Rabatt 1 und 2“). Ich persönlich befürchte, dass die Mehrheit der Bevölkerung für einen Austritt Britanniens stimmen wird, was ich sehr bedaure, weil das Land wichtig für den Fortbestand der EU ist. Was mich in meiner Einschätzung bestärkt, ist die Gelassenheit, sieht man von den Machtkämpfen in der Regierung von David Cameron einmal ab.
Noch bleibt Zeit der öffentlichen und offenen Diskussion im Vereinten Königreich. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob gute Argumente für oder gegen den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union überwiegen werden. Wir alle sind Zeitzeugen.