Von Helmut Kohl ist mir das Wort gegenwärtig „Nirgendwo liegt das „Hosianna und Kreuzigt ihn“ so nahe wie in der Politik. Das aktuelle mediale Trommelfeuer im Vorfeld des Dreikönigstreffens in Stuttgart, das gegen den FDP-Bundesvorsitzenden gerichtet ist, ist unglaublich. Wer sich einmal die heutige Presselandschaft ansieht, bekommt einen guten Eindruck davon, wie gnadenlos, wie unerbittlich das politische Geschäft sein kann. Hosianna, der Retter der FDP vom 13.05.2011 mit über 95 Prozent der Delegiertenstimmen gewählt, ist nun zum Gejagten geworden. Ein Sündenbock? Hat er Fehler gemacht? Wer ist frei davon? Innerhalb und außerhalb der liberalen Partei scheint es aktuell nur noch darum zu gehen, jetzt reinen Tisch zu machen, ohne Rücksicht auf Verluste. Also: Kreuzigt ihn – und einen Tritt bekommt der am Boden Liegende noch gratis dazu, am besten, wenn es vor laufenden Kameras passiert. Ist es nicht genau diese Brutalität, die Menschen abschreckt, überhaupt politisch aktiv zu werden?
Sind unsere heutigen Probleme einer extrem komplexen Welt so sehr personenbezogen, dass ein „neuer Kopf“ sogleich alle Probleme löst? Woher kommt dieser naive Glaube? Hat man nicht 2011 mit der Ablösung von Guido Westerwelle gesehen, dass die Probleme nicht weniger wurden. Aber man wollte einen anderen Stil. Richtig ist, dass die Lage der FDP sehr schwierig ist, in Niedersachen und im Bund. Aber hat sich Herr Rösler an „die Macht geputscht“? Nun gut, der Weg an die Spitze war nicht immer die feine Art. Stellt ein erzwungener Abgang nun aber einen besseren Stil dar? Ob er noch einmal antritt, das ist und bleibt seine Entscheidung.
Einen (neuen) Bundesvorsitzenden der FDP wählt der Bundesparteitag – nicht die deutsche Öffentlichkeit, auch nicht die Presse als 4. Gewalt. Sollte Herr Rösler tatsächlich gehen – wann auch immer – wird er erleben, was alle Parteivorsitzenden der FDP vor ihm erlebten: nach persönlichsten Angriffen, Diffamierungen und Putsch(-versuchen) – die Partei wird ihm am Ende lieben. Hosianna, Kreuzigt ihn.
Ich weiß gar nicht, wovor ich mehr Respekt haben soll: vor einem „Hinschmeißen“ oder vor dem Weitermachen. Wichtig ist für die FDP, über Inhalte zu sprechen und sich nicht in Personaldebatten zu verhaken. Wir brauchen eine Debatte über einen zukunftsgewandten Liberalismus!
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