Im völlig verschneiten Hannover, genauer in Halle 7 und 8 auf dem Messegelände Hannover findet der Außerordentliche Bundesparteitag zur Wahl des SPD-Kanzlerkandidaten statt. Nach dem (regulären) CDU-Bundesparteitag Anfang der Woche bin ich nun auch bei diesem Sonderparteitag zu Gast.
Gleich fällt auf, 600 Delegierte und alles nur für wenige Stunden Zusammenkunft. Der Umgangston fällt leicht ins „Du“, was mich naturgemäß etwas verdutzt. Wenn ich beispielsweise am Stand der Bundesgeschäftsstelle frage, ob ich eine Broschüre mitnehmen darf, heißt es, „kannste mitnehmen“. Ich glaub ich werde wohl nicht nur alt, sondern bin auch noch total uncool. So ist hier halt der Ton. Ist auch in Ordnung.
Das Presseaufgebot ist der reine Wahnsinn. Aber das war ja zu erwarten gewesen. Das „Plenum“ ist im Halbrund wie der Bundestag gebaut und ist farblich sehr ansprechend, wenngleich – wie auch bei der CDU – riesig in den Ausmaßen. Links und rechts vom Rednerpult hängen zwei überdimesionale Projektionsflächen. Den Auftakt macht Hannelore Kraft in bekannter „Volkstümlichkeit“, mein Herz nicht erwärmend spricht Stephan Weil ein Grußwort, Oberbürgermeister der Stadt Hannover und Ministerpräsidentenkandidat der SPD zugleich. Seine Wortbeiträge sind mir zu platt, da muss schon etwas mehr Würze her (damit ich mich wenigstens aufregen kann). Dafür sorgt Sigmar Gabriel, wie man ihn kennt. Man muss nun wahrlich nicht seiner Meinung sein. Er polarisiert und regt zum Nachdenken an. So finde ich es gut. Über den leider schon normalen „Politikersprech“ muss man hinweghören.
Mit Helmut Schmidt (bald 94) und Gerhard Schröder sitzen zwei SPD-Altkanzler in der ersten Reihe. Peer Steinbrück beginnt fast demutsvoll. Aha, denkt man sich: Gabriel spielt den „Bad guy“, Steinbrück den Staatsmann. Der gut honorierte Buchautor und Vortragsprofi spricht über den zu bändigenden Kapitalismus. Er redet in seiner Bewerbungsrede die Genossinen und Genossen mit „ihr“ an. Da ist es wieder, dieses sozialdemokratische „du“. Am Ende hebt der Parteitag Steinbrück mit 93,4 Prozent der Stimmen auf den Schild: Nun ist er Kanzlerkandidat der SPD.
Etwas lächerlich finde ich übrigens, die Dauer des Applauses für einen Spitzenkandidat als Indikator der Geschlossenheit einer Partei zu werten. Das ist für mich bloßes Theater. Denn: Ich bin mal gespannt, wie die SPD mit Ihrem Kandidaten umgeht und zurechtkommt, gerade beispielsweise in Bochum, wo nicht nur Sozialdemokraten sehr verärgert sind. „You never walk alone“, so der Mutmachsong der SPD. „Schau´mer mal“, wie der Kaiser sagt. Ich glaube, Peer Steinbrück wird es schwer haben, ins Kanzleramt durchzustarten.
Zwei Bundesparteitage der beiden Volksparteien. Ich habe es spannend gefunden, bei den Reden der Großkopferten die jeweilige Stimmung aufzunehmen. Auch das ist ein – zugegeben spannender – Teil von Politik. Daher auch dieser Blog!
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